6   Konzentration – wohin?

6.1   Konzentrationsziele

Es ist auffallend, daß bei vielen Firmenzusammenschlüssen die rechtliche Selbständigkeit und die ursprünglichen Firmennamen erhalten bleiben. Damit werden folgende Ziele verfolgt:

 

6.2   Horizontale Konzentration

Ergebnis der "klassischen" Konzentrationsprozesse sind Zusammenschlüsse von Firmen derselben Branche zu größeren Einheiten, die weiterhin in dieser Branche tätig sind (horizontale Konzentration). Die Beispiele aus dem Medienbereich zu solchen Fusionen sind vielfältig. So hat Bertelsmann-Buch kürzlich den amerikanischen Verlag Random House übernommen und wird seinen Umsatz von 7,3 Mrd. DM in 1997 um 1,6 Mrd. DM steigern.
Auch kleinere Verlage haben das Interesse dieses Medienriesen gefunden; so z.B. der Berlin-Verlag und der Siedler-Verlag. "Auch diese Konstellation beunruhigt den verlegerischen Mittelstand in Deutschland, also jene Häuser, die weder zu Bertelsmann noch zu Holtzbrink gehören". Neben seinen Buchklubs sucht Bertelsmann weitere Vertriebswege zu erschließen. So hat der Konzern kürzlich Anteile der größten Buchhandelskette der USA, der Firma Barnes and Noble gekauft, die wiederum die Ingram Book Group erworben hatte. Ingram ist der größte Buchgroßhändler der USA und namhafter Bibliothekslieferant.
Die größte Fusion auf dem Fachinformationsmarkt scheiterte 1998 nur knapp: die Verhandlungen zum Zusammenschluß von Reed-Elsevier und Wolters-Kluwer wurden ohne Ergebnis abgebrochen. Kurz darauf machte Microsoft einen ebenfalls erfolglosen Versuch, Reed Elsevier zu übernehmen. Im Softwarebereich erregte die Übernahme von Netscape durch American Online (AOL) Aufsehen; Bertelsmann ist an AOL beteiligt.
Für den Internet-Buchhandel schließlich werden ebenfalls Konzentrationsprozesse vorausgesagt, an deren Ende höchstens zwei bis drei Unternehmen übrig geblieben sein werden. Diese werden wegen bekannter Markennamen, einer guten Kapitaldecke, eines großen Kundenstamms und eines hohen Umsatzes überleben.

 

6.3   Vertikale Konzentration

Nicht die horizontale, sondern vielmehr die vertikale Konzentration prägt inzwischen aber das Bild des Online-Marktes. Durch Zusammenschlüsse von Unternehmen aus möglichst allen Gliedern der Wertschöpfungskette sucht man größtmögliche Planungs- und Absatzsicherheit zu gewinnen und gleichzeitig die Marktbeherrschung zu erreichen. " ... the corresponding strategy is to arm for the multimedia future by means of vertical integration upstream or downstream into other stages of production. Microsoft ... dominates the market for operating software for PC’s, is entering now through internal growth into telecommunications via it‘s global online service. Walt Disney and Time Warner, which until now are mainly programme producers, are attempting via the external <<tailoring>> of the largest media concerns in the world to combine market control in entertainment software with control over distribution channels."
Generell geht es darum, neben den technischen Infrastrukturen und der benötigten Software auch Inhalte anbieten zu können, die Verkehr auf die Datenautobahn bringen und erst so den geplanten Umsatz und Gewinn schaffen.
Mit solchen Zusammenschlüssen werden nicht nur Inhalte verbreitet, sie werden auch nivelliert. Weltweit präsent sind amerikanisch-europäische Muster der Populärkultur und der Propagierung entsprechender Lebensstile; die kulturellen Differenzen vermindern sich, andere kulturelle Formen gehen unter. "Wir schauen uns das gleiche an, kleiden uns ähnlich, reden dieselben Phrasen und langweilen uns zu Tode."
Ein "klassisches" Beispiel für vertikale Unternehmenskonzentration ist der Bertelsmann-Konzern. Er agiert in mehr als 50 Ländern und beschäftigt 60.000 Angestellte. Seine Tätigkeitsfelder sind Information, Bildung, Unterhaltung, Entwicklung von Contents-software, Produktion und Dienstleistungen für Medien. Er ist in folgenden Branchen präsent: Buchklubs, Verlagen, Tageszeitungen und Zeischriften, Musik- und Filmstudios, Radio- und Fernsehanstalten, Online-Diensten, Druckereien und anderen technischen Diensten. Die Firmenpolitik ist ganz eindeutig auf Expansion im Online-Markt ausgerichtet, wie die hier bereits erwähnten jüngsten Aufkäufe anderer Firmen zeigen.
Heftig diskutiert wird in Deutschland die Marktmacht eines anderen, kaum zu überblickenden Medienkonzerns. Es geht um die Kirch-Gruppe, die inzwischen die Kontrolle über die Axel-Springer AG erworben hat, den größten Teil des Film- und Fernsehproduktionshandels kontrolliert und über qualifizierte Beteilungen bei SAT 1, Pro 7, dem Kabelkanal und DSF verfügt. "Lizenzrechte und TV-Produktionen, Abspielsender, Propagandamedien und Vermarktungsorganisationen, Software und Hardware sollen sich zu einem großen Konglomerat verzahnen ..., die Verbreitung konservativer Botschaften ist ihm dabei ein zusätzlicher Lustgewinn."
Die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft durch Bertelsmann, Kirch, Deutsche Telekom und CTL (Luxemburger Holding für Rundfunk und Fernsehen, u.a. für RTL) zum Betrieb des digitalen Fernsehens wurde von der Europäischen Kommission aus Wettbewerbsgründen verboten.

 

6.4   Negative und positive Konzentrationsentwicklungen

Hier wird besonders deutlich, daß Information nicht eine beliebige Ware ist, bei der die Konzentration lediglich preistreibend und innovationshemmend wirkt: Konzentration bedroht hier auch die Meinungsfreiheit und die Meinungsvielfalt. Aus diesem Grunde haben die westeuropäischen Länder und die USA Gesetze erlassen, die eine Marktbeherrschung bei Rundfunk und Fernsehen verhindern sollen (in Deutschland ist es im Zuge dieser Bemühungen zur Errichtung der Landesmedienanstalten gekommen). Ob diese gesetzlichen Schranken die Expansionsbestrebungen global agierender Konzerne abwehren können, bleibt abzuwarten.
Einen Weg die Vorteile eines großen Konzerns mit der Flexibilität kleiner, innovativer Unternehmen zu verbinden, hat die Deutsche Telekom entdeckt. Sie finanziert über ihre Tochter "T-Venture Holding GmbH" mit einem Eigenkapital von 300 Mio DM innovative Dienstleistungs- und High-Tech-Unternehmen mit einem Wachstumspotential auf den Märkten der Telekommunikation. Ohne diese Firmen erwerben zu müssen, gewinnt die Telekom Einblicke in neueste Technologien junger Unternehmen.
Einen anderen Weg sind zwei andere Großunternehmen gegangen: Viag Intercom hat 50% der Anteile an den Bertelsmann gehörenden Interactive Studios (Game Channel im Internet) erworben und betreibt die technischen Entwicklungen; Bertelsmann konzentriert sich auf die Inhalte und den Vertrieb.

 

6.5   Vergleich der Medienmarkt-Entwicklung in Relation zu anderen Märkten

Trotz aller Bedeutung dieser Prozesse auf dem Medienmarkt sollte man einen Blick auf die Relationen zu anderen Märkten und Vergleichsgrößen werfen, um das gesamtwirtschaftliche Gewicht dieses Marktes besser einschätzen zu können. Es handelt sich ohne Zweifel um einen Schlüsselbereich und den z.Z. am stärksten wachsenden Markt. Trotzdem bringen die fünf größten Industrieunternehmen der Welt nach Umsatz mehr als das Doppelte auf die Waage wie die dreihundert größten Medienhäuser.
Verlage haben in Deutschland einen Anteil von 0,5638% an der gesamten Bruttowertschöpfung, Buchhandlungen einen solchen von 0,2219%. Die Ausgaben für kommunale Bibliotheken an den gesamten Ausgaben der Kommunen für Kultur liegen bei 9,94%. Die Gesamtausgaben für wissenschaftliche Bibliotheken haben einen Anteil von 3,11% an den gesamten Ausgaben der Hochschulen. Die Erwerbungsausgaben aller Bibliotheken machen 5,43% des Umsatzes der deutschen Verlage und 4,43% des Umsatzes der deutschen Buchhandlungen aus. In Bibliotheken sind 0,53% des Personals im öffentlichen Dienst beschäftigt.
Aber, Größe ist nicht alles: "Größe ist nur gut in Verbindung mit einer starken Bilanz, guten Geschäftsprinzipien, einem effektiven Management und wenn sich die Produkte ergänzen ... Niemand muß die Kuh kaufen, wenn er nur die Milch will."

 


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